Weltenwanderer
Ich war Gast. In so vielen
Welten, die alle für ein paar Tage mein Ich beherbergt
haben. Es war eine schöne Zeit, in deren Erinnerung ich
heute noch baden und Kraft schöpfen kann. Und doch
berührten diese Erfahrungen auch einen Teil in mir, der
immer noch mit diesem unersättlichen, inneren Hunger
kämpft. Hunger nach Geborgenheit, nach Liebe (m)eines
Ichs, nach Zweisamkeit und Zufriedenheit.
Und so ist es ein Niederlassen
der Seele in einer Welt, die sich im Kreisel der Zeit auch
immer weiterdreht. Deren Tag ebenso mit einem glutrotem
Sonnenaufgang beginnt und mit einem zerbrechlichen Kuss
der Nacht endet und dennoch irgendwie ganz anders ist.
Während die ersten Tage in einer neuen Welt wie das Ende
einer langen Suche erscheinen, so weiß doch das Herz recht
schnell, dass es wieder nur eine Zwischenstation ist. Eine
Raststätte zum Atem holen, zum Hoffnung schöpfen.
Denn es ist dieses eine Gefühl, zu wissen, der Moment ist
schön, aber er wird niemals Heimat bedeuten. Diese
Empfindung, nur Besucher zu sein, zeigt sich zugleich
rettend als auch schmerzdurchzogen. Zum einen glimmt der
Hoffnungsschimmer, dass es neben der eigenen Welt, die mir
so vorkommt, als ob sie die einzig existierende ist, noch
viele weitere Lebenschancen zu entdecken gibt. Und zum
anderen diese Endlichkeit sofort wieder vor Augen zu
haben. Zu wissen, das ist nicht die Welt, die mit ewiger
Kraft strahlt, die die Seele in Frieden taucht und innere
Balance schenkt.
Und genau an diesem Punkt gibt
es für mich zwei Möglichkeiten der Betrachtungsweise, die
Erfahrungen in diesen anderen Welten zu „bewerten“. Der
eine Weg ist diese Opferrolle für sich selbst anzunehmen,
dem kindlichen Anteil das Feld zu übergeben und innerlich
aufzugeben.
Oder aber dieses Geschenk von neuen Erlebnissen als
einzigartig und kostbar anzusehen. Und genau mit diesem
Wert tief ins Herz zu betten und mit Dankbarkeit zu
begegnen.
Natürlich bleibt bei negativen Eindrücken das Gefühl von
Schmerz und Trauer, aber auch jene Traurigkeit bedeutet
Reichtum. Das Bewusstwerden dieser reich machenden
Erfahrung ist ein langer Prozess. So ist es doch viel
einfacher die Traurigkeit in den Kelch des
allgegenwärtigen Schmerzes zu stecken und in Selbstmitleid
zu versinken. Diesen Kreislauf immer und immer wieder neu
zu durchbrechen, bleibt ein felsiger Weg, dessen Ziel ich
nicht in jeder Situation erreiche.
Diese Kraft aufzubringen und zu sagen: „Nein, verändere
deinen Blickwinkel, bleib nicht an der Oberfläche diese
Erfahrungen, gehe tiefer in diese Momente.“ Sich zu
fragen, was lösen sie aus, woher kommt das Gefühl des
Schmerzes, war es jemals anders oder fühlte ich schon
immer so, welche Ressourcen kann ich dem entgegen setzen?
Schon allein die Gedanken auf diese Fülle an Fragen zu
konzentrieren, ist ein Schritt in die richtige Richtung,
denn sie bedeuten Fortschritt, weiter zu gehen, nicht im
Moment hilflos zu verharren, sondern Stärke zu bündeln.
Die Stärke, die in mir liegt und die manchmal wie ein
Blitz durch mein Leben fährt, deren Atem ich in meinem
Inneren spüre, aber nicht in die Freiheit entlassen kann.
Dann gibt es Augenblicke, in denen sie wie ein Geysir aus
mir heraus und überwältigend ist. Für mich bleibt dann die
Frage, warum ich dieses stärkende Licht nicht immer spüren
kann. Und genau jetzt bin ich auf der anderen Seite der
oben genannten Fragen und das einzig Richtige ist, diesen
Moment der Liebe, des heilenden Lichtes zu empfinden und
sich daran zu erfreuen. Die Harmonie in mir, mit der Welt
verbunden zu sein, all diese Gefühle können nur aus mir
selbst kommen. Dort liegt die Quelle und diese Erkenntnis
heißt, dass ich nicht ohnmächtig den Situationen „da
draußen“ ausgeliefert bin, sondern selbst am Steuer meiner
Empfindungen sitze.
Sobald ich den Frieden in mir selbst finde, kann ich
glücklich sein, ohne auf Glück und Geborgenheit in der
äußeren Welt angewiesen zu sein. Und wenn ich mit offenen
Augen durch die vielen Welten wandere, werde ich auch
Menschen begegnen, die mir dann Helfer und Engel sind,
wenn ich den Mut an mich verliere und an diesem schweren
Weg verzweifle.